Weit mehr als 150 Tage ist es her, als der Felssturz am Plöckenpass in der Nacht auf den
2. Dezember 2023 den gesamten Nord-Süd-Verkehr zwischen Österreich und Italien abrupt stillgelegt hat.
Die ersten Fotos von gewaltigen Steinmassen waren furchteinflößend. Umso mehr, weil viel von uns an diesem Abend noch im benachbarten Friaul zu Besuch waren und kurze Zeit vorher noch mit Auto zurückgefahren sind. Einigen wurde sogar die Rückfahrt abgeschnitten und sie konnten erst gar nicht mehr über den Plöckenpass heimfahren.
Es war ein nass-kaltes
erstes Adventwochenende, ein Samstag, und aufgrund der Schneevorhersage habe ich die Reservierung für meine Familie und Freunde in Laghetti vorsichtshalber abgesagt. Nicht auszudenken, was passieren hätte können, wären die Felsmassen nur einige Stunden später mit voller Wucht über die Straße ins Tal gestürzt und wir trotz Schlechtwetter unsere Freunde besucht hätten.
Als
Menschen der Berge wissen wir um die Gefahren der Plöckenstraße. Jeder von uns hat schon einmal früh morgens irgendwelche Felsbrocken auf der Straße liegen sehen, wenn wir zu unseren Bergtouren auf den Plöcken aufgefahren sind. Ein altbekanntes, kalkuliertes Risiko.
Wir wissen, dass der
Felssturz jederzeit auch die österreichische Seite treffen hätte können, z.B. irgendwo zwischen Lamprechtbauereinfahrt und Heldenfriedhof.
Nachdem bekannt wurde, dass kein Mensch zu Schaden kam, war die logische Reaktion das tiefe Vertrauen in die straßenbautechnischen Fähigkeiten der Italiener. "Das dauert ein paar Tage" und der Pass ist wieder befahrbar! Eine Fehleinschätzung, die auch l'Assessore alla Protezione Civile, Herr
Riccardo Riccardi, in den Medien teilte. Er sprach sogar davon, dass der Pass
am Montag, 4.12.2023 wieder geöffnet sei.
Erst langsam kam die Einsicht, dass es sich hier um weit mehr als ein kleinkleinräumiges straßenbautechnisches Problem auf italienischer Seite handelt. Am
14.12.2023 beschloss daher der Gemeinderat von Kötschach-Mauthen einstimmig die Errichtung einer Notstraßenverbindung UND den Beginn von Planungen eines Scheiteltunnels für die langfristige Zukunft. Eine Forderung, die Bgm.
Ronny Rull als Sprecher aller Bürgermeister des Bezirks bei einem Treffen mit
Stefano Mazzolini wenige Tage später bekräftigte.
In Kärnten vergingen wertvolle Wochen, bis allen Verantwortlichen klar wurde, dass man hier (aufgrund bekannter Finanzsorgen des Landes)
keine utopische Forderung gestellt hat, sondern dass es sich tatsächlich um eine
staatenübergreifende Katastrophe von europäischer Dimension handelt. In verkehrstechnischer, sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht."
Verschiedenste Treffen von Jänner bis zum
"Großen Runden Tisch" am 8.4.2024 in Kötschach-Mauthen haben dazu beigetragen, dass das Bild Schritt für Schritt klarer wurde.
LHStv. Martin Gruber und seine Amtskollegin Cristina Amirante haben
für die langfristige Lösung eine Expertengruppe installiert, die - soweit bekannt ist - bis September ein profundes Dokument den politischen Entscheidungsträgern vorlegen muss.
Die Notstraßenöffnung - eine Utopie?
Die
Besitzerin der Straße (ANAS) hat bereits im Dezember einen
Projektplan für die Wieder-Instandsetzung der bestehenden Straße vorgelegt. Baubeginn im Frühjahr und
Zwischen-Fertigstellung Ende 2024. Eine Vielzahl von Zeitungsberichten, viele Gespräche mit Kennern der Region, geologische Studien (u.a. vom Tavolo Tecnico, Universität Udine, 30.1.2024) bestätigen starke Zweifel am Projekt.
"Viel zu teuer, viel zu zeitaufwändig und aufgrund der geologischen Instabilitäten des Geländes keine langfristige Lösung". Mit Stand 9.5.2024 wurde jedenfalls noch kein einziger Stein bewegt, bzw. wurde noch keine einzige Stunde effektiv gearbeitet.
Das unverrückbare Festhalten am ANAS Projekt ist in vielerlei Hinsicht unverständlich. Es mag zwar stimmen, dass den
Großteil der Kosten Rom und nicht Triest trägt. Es mag weiters sein, dass sich hinter dem ANAS Projekt sowohl Kärntner als auch Friulaner Politiker verstecken können - der tagtägliche Schaden im gesamten grenzüberschreitenden Gebiet ist allerdings enorm.
Am 11. April 2024 trafen sich zu diesem Thema Landeshauptmann
Peter Kaiser und Präsident
Massimilliano Fredriga im Rahmen einer Euregio Konferenz in Triest. Beide bestätigten, dass der Plöckenpass nun Chefsache sei. Außer dem Verweis auf das ANAS Projekt und der zeitlichen Einschränkung, dass die Expertengruppe innerhalb von 6 Monaten ein Ergebnis vorlegen muss, war leider auch nicht zu hören.
Wie sollte es weitergehen?
Die
ANAS ist mit ihrem Projektstart inzwischen
schon 2 Monate im Verzug. Darüber hinaus hat sie den Zeitraum Jänner-März völlig ungenutzt verstreichen lassen. Der
ANAS-FVG Chef hat kürzlich im Landtag von Triest bestätigt, dass auch
nach Fertigstellung der "Intervention" Mitte/Ende 2025 die bestehende Straße
keine langfristige Option mehr darstellt.
Schritt 1: ist nachvollziehbar geklärt
Die Expertengruppe (Friaul/Kärnten) ist eingerichtet und wird bis September eine langfristige Lösung zur politischen Entscheidung vorlegen.
Jeder weitere politische mediale Streit (z.B. Mentil-Mazzolini) ist jetzt unnötig und kostet den betroffenen Menschen nur Zeit und Nerven.
Schritt 2: muss politisch gelöst werden
Kärnten sollte über
Landeshauptmann Dr. Kaiser auf
Präsident Fredriga einwirken, um schneller zu einer Verbindung der beiden Region zu kommen.
In erster Linie,
weil das ANAS Projekt ohnehin bereits
monatelang im Verzug ist.
In zweiter Linie, weil eine
Forststraßen-Variante auf der Hang-vis-a-vis Seite seit Jänner vorliegt und als tatsächliche Not-Straße (wie im Lesachtal) den größten Druck aus der Bevölkerung nehmen kann. Als Notstraßen-Projekt kann und sollte dies über den
Zivilschutz (Riccardo Riccardi) verantwortet und binnen Wochen umgesetzt werden. Die Planungsunterlagen und das OK seitens Grundbesitzern liegen offensichtlich schon vor.
Offener Brief an den Landeshauptmann
Sehr geehrter Herr LH Dr. Peter Kaiser
Bitte intervenieren Sie bei Präsident Fredriga umgehend, dass er sein OK für die Errichtung der angesprochen Forststraßen-Notvariante gibt und dies über den Leiter der Protezione Civile, Hrn. Riccardo Riccardi beauftragt. Paluzza's Bürgermeister Luca Scrignaro kennt alle Planungen und war in alle Vorgespräche eingebunden.
Für die Region zwischen Felbertauern und Plöckenpass würde das inbesondere auf Kärntner Seite zumindest einen kleinen Teil des Leidensdruck nehmen.
Unabhängig davon kann die ANAS (voraussichtlich am 20.5.2024) ihr Projekt beginnen, auf Unsicherheiten und Unvorhergesehenes reagieren. Solang die ANAS nicht fertig ist, stünde damit zumindest eine echte Not-Straße zur Verfügung.
Antwortschreiben des Landeshauptmannes vom 13.05.2024
Bei Fragen - gerne und jederzeit
Ingo Ortner
Bei Fragen, Anregungen und/oder Ergänzungswünschen, ... bitte per
E-Mail. Danke. Falls auch ihr ein Thema berichtenswert erachtet bzw. selbst dazu schreiben wollt.
Ingo Ortner | T +43 699 12647680
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